Die Abkürzung MaaS L.A.B.S. steht für
„Mobility-as-a-Service-Plattform: Lebendig, Automatisiert, Bedarfs- und Sharing-orientiert“.
Diese – zu Deutsch - „Mobilität-als-Service-Plattform“ war ein Forschungsprojekt, das sich mit einem optimierten Öffentlichen Nahverkehr befasste.
Ziel des Projekts war es, die anstehende Verkehrswende durch einen flexiblen und bedarfsorientierten Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) mitzugestalten und diesen mit zusätzlichen Mobilitätsangeboten zu verknüpfen.
Der Projektzeitraum war vom 15. Mai 2019 bis zum 14. Mai 2023 angesetzt.
Zu den Projektpartnern im Team Potsdam zählten:
- ViP Verkehrsbetrieb Potsdam
- Fachhochschule Potsdam
- highQ Computerlösungen GmbH
- Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V.
- und weitere Partner.
Das Projekt wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Bereich Mensch-Technik-Interaktion, Individuelle adaptive Technologien für eine vernetzte Mobilität.
Die letzte Meile
Im Forschungsprojekt war insbesondere die „letzte Meile“ von großer Bedeutung. Verkehrsplaner verstehen unter der „letzten Meile“, oder genauer gesagt der „ersten und letzten Meile“, die Distanz zwischen dem Aufenthalts- oder Zielort einer Person und dem nächsten Zugangspunkt zum öffentlichen Nahverkehr. Diese Distanz stellt zum Beispiel aufgrund einer größeren Entfernung oftmals eine Lücke dar.
Alternative Mobilitätsdienste
Um den Zugang zu Bus und Bahn zu optimieren, erkundete die ViP die Leistungserbringung der „letzten Meile“ für Kund*innen. Zusätzlich stand das Thema des autonomen Fahrens und der Fahrtenbündelung im Fokus.
So kamen im Projekt alternative Mobilitätsdienste wie Car- und Bikesharing‑ (Verleih bzw. gemeinschaftliche Nutzung von Autos und Fahrrädern) sowie On-Demand-Mobilitätsdienste (Dienste auf Abruf) ins Spiel, die ihre Passagiere nach Bedarf von der Haustür bis zur nächsten Haltestelle brachten. Durch Konzepte wie Ridepooling (Bündelung von Fahrtanfragen) und Elektromobilität als alternative Antriebstechnik kam eine nachhaltige und umweltschonende Komponente hinzu.
Mitgestaltung der Verkehrswende
Um, wie erwähnt, die Verkehrswende mitzugestalten, wurde das leistungsfähige Angebot der ViP um intelligente gesteuerte Mikrobusse erweitert und mit neuen Car-, Bike- und Ridesharing-Angeboten kombiniert. Diese ökologische, ökonomische sowie soziale und stadtverträgliche Umgestaltung unseres Mobilitätssystems trägt zur Entwicklung von Lösungen für die Herausforderungen Klimawandel, Schadstoff- und Verkehrsbelastungen bei.
Im Fokus: Verkehrsteilnehmende
Das interdisziplinäre Team des Projekts MaaS L.A.B.S. aus den Sozial-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften stelle bei seinen Forschungen Verkehrsteilnehmende ins Zentrum. Angestrebt wurde eine schrittweise Erprobung von Technologien und Geschäftsmodellen, um Fehlplanungen zu vermeiden.
Vier Servicefelder griffen dabei ineinander:
- Die Einführung einer App. Diese informierte die Bürger*innen einer Stadt über integrierte Mobilitätsangebote (ÖPNV und Sharing-Angebote) und sollte die Mobilitätsplanung und -abrechnung erleichtern.
- Intelligente Sharing-Angebote, die den ÖPNV mit einem attraktiven Gesamtangebot, das konkurrenzfähig zum privaten Auto ist, ergänzen sollten.
- Lokalspezifische Anwendungsmöglichkeiten für Mikrobusse sowie On-Demand-Verkehre, die die Anbindung für Bürger*innen verbessern sollten.
- Digitale Steuerungssysteme, die für den Betrieb dieses integrierten Verkehrssystems sorgen sollten. Dieses sollte bedarfsgerecht und in Echtzeit auf aktuelle Fahrgastanfragen reagieren.
Reallabore „Living Labs“
Das MaaS L.A.B.S.-System betrachtete erstmals vertieft die spezifischen Anforderungen kleiner und mittlerer Großstädte im Rahmen der Forschung und Entwicklung. Dazu wurden ab 2020 in den Städten Potsdam und Cottbus „Living Labs“ (Reallabore) eingerichtet, in denen die Angebote im aktiven Dialog mit der Bevölkerung, Stadtentwicklung, Verkehrsplanung und Politik entwickelt wurden. Umfangreiche Demonstrationen machten Technologie „erlebbar“ und formten die Technologie- und Prozessentwicklung in schrittweisen Feedback-Prozessen.
Living Lab Potsdam
Im Reallabor Living Lab Potsdam arbeiteten die Fachhochschule Potsdam (FHP), das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), highQ Computerlösungen und der Verkehrsbetrieb Potsdam (ViP) eng zusammen.
Entwickelt und getestet wurden innovative, digital gestützte Mobilitätsangebote. Das interdisziplinäre MaaS L.A.B.S.-Projektteam aus den Sozial-, Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften stellte die Verkehrsteilnehmenden ins Zentrum seiner Forschungen und erprobte Technologien und Kooperationen schrittweise. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Eines der Ziele war die Entwicklung eines Mobility-as-a-Service-Ansatzes (MaaS), also einer integrierten Mobilitätsdienstleistung, die mehrere Angebote unkompliziert und aus einer Hand buchbar machen sollte. Hierbei ging es vor allem darum, das MaaS-Konzept so auszulegen, dass es lokal gesteuert werden konnte, einen positiven Beitrag zur Quartiersentwicklung leistete und mit den Klimazielen der Landeshauptstadt Potsdam (LHP) übereinstimmte.
Mobilität als Service - Kernthemen für Potsdam
Als Kernfeatures, also Kernthemen für Potsdam, haben sich im Projektzeitraum im Reallabor mehrere Punkte herauskristallisiert. Diese sollen hier kurz erläutert werden:
1) Bedarfsverkehr (Demand Responsive Transport) – szenariobasiert
Der reale Bedarfsverkehr im Potsdamer Norden und im betrieblichen Mobilitätsmanagement sollte eruiert werden. Die Szenario-Planung dazu fand in enger Kooperation mit dem Projekt „SmartUpLabs“ der Fachhochschule Potsdam statt. Ziel war es, verschiedene Planungs- und Steuerungsmöglichkeiten sowie konkrete Use Cases (Anwendungsfälle) gegenüberzustellen, um jeweilige Potentiale und Herausforderungen noch vor der tatsächlichen Umsetzung bestmöglich abzuschätzen. Hierzu fanden kontinuierliche Co-Design-Workshops zwischen ViP, LHP und FHP statt. Grundlage war ein Stadtmodell (ein sogenannter digitaler Zwilling) mit räumlichen, sozio-demografischen und verkehrlichen Basisdaten, das mithilfe eines Dashboards relevante Kennwerte bereitstellte. Sowohl Daten aus wissenschaftlichen Studien als auch Erfahrungswerte der Planenden zu Zielen, Nutzbarkeit und Anforderungen an Interfaces (Übergangsstelle zwischen verschiedenen Komponenten eines IT-Systems) flossen in Modell und Bedienung ein. Die Erkenntnisse dieses Prozesses wurden sowohl in der Planung der DRT-Tests als auch in der Gestaltung der MaaS-Pläne berücksichtigt.
2) MaaS-Pläne in einer App - anpassbar
Ziel der MaaS-Pläne war es, attraktive Pakete für Kund*innen zu schnüren, die ökologisch und sozial nachhaltige Mobilitätsformen fördern – in einer App. Darüber hinaus sollten die MaaS-Pläne lokal anpassungsfähig sein (mit Bürger*innen-Beteiligung) und positive Beiträge zur Quartiersentwicklung leisten. Diese Zielorientierung unterschied sie von herkömmlichen MaaS-Angeboten und Reiseinformations-Apps. Die Planentwürfe basierten neben der Fachliteratur und den Partner*innen-Expertisen auf Erkenntnissen der App-Tracking Studie „Digitale Spuren Potsdam“ (2021) sowie der umfangreichen Umfrage „Innovative Mobilität im Bornstedter Feld“ (2018). Sie schöpften sich aus einem modularen System aus Verkehrsmitteln, Nutzungsweisen und zusätzlichen (auch nicht mobilitätsbezogenen) Angeboten.
3) Anreizsystem - transformationsorientiert
Das Anreizsystem, das gesellschaftliche und individuelle Verhaltensänderungen zugunsten einer verbesserten Ökobilanz befördern sollte, war wie folgt aufgebaut: Der Lokalbezug identifizierte und adressierte konkrete Bedarfe im Quartier (spezifische Wegezwecke, fehlende Kulturangebote, Auto dominierend etc.). Über die Ökobilanz wurde ein generisches Rechenmodell (Vergleichswerte CO2-Ausstoß verschiedener Verkehrsmittel) etabliert, welches eine Währungsfunktion (Vorteile) sowie eine Aufklärungsfunktion (Bewusstsein) hatte. Die damit geschaffenen, quantifizierbaren Werte (z.B. gesammelte ÖPNV- oder Klimameilen, also CO2-Einsparung) wurden genutzt, um wiederum die lokalspezifischen Bedarfe zu unterstützen (etwa zusätzliche Radspuren, Einkaufen ohne Auto, Sammlung für Kulturraumprogramm etc.). Gleichzeitig waren sie wirksam im Sinne der übergeordneten Klimaziele der LHP. Die Incentivierung wird der Mechanismus genannt, der es für die Nutzer*innen attraktiv macht, eine bessere Ökobilanz ihres Quartiers oder Mobilitätsverhaltens zu erreichen. Akteure mit gemeinsamen Zielen (etwa die LHP, Initiativen oder Institutionen) sollten als Incentivegeber*innen in das System integriert werden. Dabei wurde aktiv auf wechselnde, dynamische Anreiz-Kampagnen gesetzt, die jeweils eigene Ziele adressieren sollten.
4) Ökobilanzierung - wertebasiert
Die sogenannte Ökobilanzierung diente als Mittel zur Erzeugung einer höheren Transparenz über die Effekte der individuellen und geteilten Mobilität der Nutzer*innen. Sie sollte übersichtlich Vergleichswerte des CO2-Verbrauchs unterschiedlicher Verkehrsmittel anzeigen und so eine zusätzlich qualifizierte Auswahl erlauben. Dabei wurden hier keine absoluten CO2-Werte angezeigt, sondern der Mehr- oder Minderverbrauch je Route im Vergleich zu einem Durchschnitts-PKW. Dies erleichterte die Einordnung der Werte und rückte sie näher an das Alltagswissen der Nutzer*innen heran. Die Berechnungsgrundlage für die Schadstoffemission des Durschnitts-PKWs wurde aus dem PHEMlight-Modell der TU Graz abgeleitet. Die Vergleichswerte waren zudem abhängig von Fahrzeugtyp und der Geschwindigkeit. Die hinterlegten Werte für Busse, Tram und S-Bahn stammten vom ViP-Verkehrsbetrieb. Im Hintergrund konnten auch Werte für Feinstaub, NOx, Energie- sowie Benzinverbrauch berechnet werden. Die den verschiedenen Routenoptionen zugeordneten Informationen wurden über ein intuitives Icon-, Farb- und Hierarchisierungs-System dargestellt, welches half, nachhaltige Angebote prominent und attraktiv zu listen. Die Ökobilanz war integraler Baustein des zielorientierten Anreizsystems.
Glossar
- Bikesharing = moderne Form des Fahrradverleihs
- Carsharing = moderne Form des Autoverleihs
- DRT = Demand Responsive Transport ist ein flexibel buchbares Mobilitätsangebot, meist ohne feste Route oder einen festen Fahrplan.
- Incentivierung = Anreiz, Antrieb oder Ansporn
- Interface = Übergangsstelle zwischen verschiedenen Komponenten eines IT-Systems
- Living Labs = Kooperation zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft
- MaaS L.A.B.S. = Mobility-as-a-Service-Plattform: Lebendig, Automatisiert, Bedarfs- und Sharing-orientiert
- On-Demand = auf Anforderung, auf Abruf
- Reallabor = Reallabore sind eine neue Form der Kooperation zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft, bei der das gegenseitige Lernen in einem experimentellen Umfeld im Vordergrund steht
- Ridepooling = Bündelung von Fahrtanfragen
- Ridesharing = gemeinsame Nutzung eines Fahrzeuges für den Transport von Personen von einem Ort zum anderen
- Use Cases = Anwendungsfälle